Jörg Bohn - "Wirtschaftswunderjournalist"
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Text zur Weihnachtszeit: "Spielzeug im Wirtschaftswunder"

 

In der Mitte der 1950er Jahre kommt der Weihnachtsmann in einem ebenso schnittigen wie luxuriösen Mercedes-Cabrio daher und hat zu seiner Unterstützung gleich das Christkind und eine Engelschar mitgebracht. Zu verteilende Gaben scheinen reichlich vorhanden zu sein, denn zusätzlich kann der aufmerksame Betrachter dieser weihnachtlichen Szene, die auf einem damaligen Adventskalender zu entdecken ist, auch noch Helfer in der Luft sowie einen sich aus der Ferne nähernden modernen Reisebus ausmachen - und selbst ein üppig mit Geschenken beladener Motorroller ist im Einsatz.

 

Auf höchst anschauliche Art und Weise dokumentiert dieses reizvolle Zeitzeugnis derart einen Wohlstand, von dem wenige Jahre zuvor in einem an den Folgen des verheerenden Zweiten Weltkriegs leidenden Deutschland wohl niemand auch nur zu träumen wagte. Hunger, Wohnungsnot durch Zerstörungen und den Zuzug von Flüchtlingen sowie ein alltägliche Kampf um die bloße Existenz bestimmen vielerorts das Leben der Menschen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren. Trümmergrundstücke dienen Kindern als Abenteuerspielplätze und mangels Spielzeugen lassen sie oftmals einfach ihrer Fantasie freien Lauf.

Doch schneller als erwartet geht es wieder aufwärts: Ein von den USA unter der Bezeichnung Marshallplan ins Leben gerufenes Wiederaufbauprogramm für Westeuropa, die eng mit dem Namen des damaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verbundene Währungsreform sowie die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, gepaart mit Leistungsbereitschaft und Aufbauwillen der Bevölkerung, erweisen sich im historischen Rückblick als wesentliche Bausteine für diesen rasanten Aufstieg.

So geht es gegen Mitte der Fünfziger zwar noch längst nicht allen, aber zumindest einem größeren Teil der Bundesbürger wieder merklich besser und immer häufiger ist sowohl im In- als auch im Ausland von einem deutschen „Wirtschaftswunder“ die Rede. Dank florierender Wirtschaft und steigender Löhne haben die Menschen nun auch zunehmend Geld für Waren zur Verfügung, die nicht mehr nur allein der Befriedigung der Grundbedürfnisse dienen - was sich unter anderem an den Auslagen der damaligen Spielwarenhändler ablesen lässt. Dort sind neben den traditionellen Kinderfavoriten wie Puppen und Teddys auch etliche Spielzeuge zu finden, die dem zeitgeschichtlich Interessierten auf das Schönste Auskunft über typische Befindlichkeiten dieser Zeit geben und von denen einige besonders aussagekräftige im Folgenden einmal mitsamt ihrem realem Bezug vorgestellt werden sollen.

 

 

Eine der prägnantesten Entwicklungen im Verlauf der Fünfziger Jahre stellt sicherlich die Massenmotorisierung dar. Durch kleine günstige Autos wie beispielsweise das Goggomobil, den Messerschmitt Kabinenroller und natürlich den VW Käfer nimmt die Zahl der Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik rasch zu. Da die Innenstädte sich zusehends zu reinen Büro- und Geschäftszentren entwickeln und das Netz des öffentlichen Nahverkehrs vielerorts noch lückenhaft ist, fahren immer mehr Menschen mit dem eigenen PKW zum Arbeiten oder Einkaufen. Entgegen der heute möglicherweise herrschenden Vorstellung, dass von Autos verstopfte Straßen ein Problem jüngerer Zeit darstellen, drohte bereits in den 50ern etlichen Städten der Verkehrskollaps. Und da sich so viel um „der Deutschen liebstes Kind“ dreht, werden Auto und Verkehr auch für die Spielzeughersteller zum Thema. So wird das beschriebene alltägliche Chaos sehr anschaulich auf dem Deckelbild von „Das bewegliche Verkehrsspiel“ dargestellt, das spielerisch über die im Verkehr lauernden Gefahren aufklären möchte und dessen reales Vorbild-Szenarium in Berlin angesiedelt ist. Die auf der Spielschachtel abgebildete gläserne „Verkehrskanzel“ wurde 1955 am Kurfürstendamm errichtet, um dem darin positionierten, die Ampelschaltung per Handbetrieb steuernden Polizeibeamten einen optimalen Überblick über die aktuelle Verkehrssituation zu verschaffen. 

 

 

In der Stadt angekommen, mussten die Autos natürlich auch irgendwo abgestellt werden. Und da freie Flächen knapp, begehrt und damit teuer waren, wuchsen die Parkplätze nicht in die Breite, sondern in die Höhe. 1956 werden in Frankfurt am Main und in Kassel die ersten öffentlichen, als reine Zweckbauten konzipierten Parkhäuser in Betrieb genommen und nur wenig später sind Parkhäuser im spielgerechten Miniaturformat auch in den Sortimenten der Spielwarenindustrie zu finden.

Aber auch weiter entfernte Ziele werden mit dem eigenen fahrbaren Untersatz in Angriff genommen. „Während der Kriegszeit isoliert stellten die Bundesbürger fest, dass sie sich noch eigentlich gar nicht in der Welt umgesehen hatten und begannen zu reisen“, berichtet ein zeitgenössischer Chronist: „Erst nach Oberbayern, in den Schwarzwald, in den Harz, in die Heide und in die Nord- und Ostseebäder. Ein Jahr später aber fuhr der Mann, der etwas auf sich hielt, nach Italien. Wir trugen unsere Ersparnisse ins Reisebüro.“ Erleichtert wurde dies dadurch, dass die den Bundesbürgern nach Kriegsende auferlegten Beschränkungen der Reisefreiheit inzwischen stetig gelockert wurden und sie für Fahrten in die meisten europäischen Länder kein Visum mehr benötigten. Und so zieht es sie denn ganz besonders in den sonnigen Süden.

 

 

Sehr beliebt waren seinerzeit daher Gesellschaftsspiele, mit denen man nahe und ferne Länder schon einmal per Würfel und Spielbrett erkunden konnte. Um den großen Erfolg solcher heutzutage recht altmodisch wirkenden Spiele verstehen zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass das Fernsehen seinerzeit noch in den Kinderschuhen steckte. Erscheinen uns heutzutage dank ungezählter TV-Reisedokumentationen auch die entlegensten Winkel dieses Planeten geradezu vertraut, bezogen die Menschen damals ihr Wissen über andere Länder vorwiegend aus trockenen Reiseführern, bebilderten Zeitschriftenartikeln oder zumeist kitschigen Kinofilmen.

 

 

 Der Traum der Bundesbürger schlechthin war aber sicherlich das Eigenheim. Im Spielzeugbereich standen daher folgerichtig eine Vielzahl von für Bauarbeiten benötigte Fahrzeuge wie Laster, Bagger und Raupen zur Auswahl, auf einem Würfelpuzzle mit spielenden Kindern ist im Hintergrund eine Großbaustelle zu erkennen und auch Puppenhäuser kamen zu neuen Ehren. Sie wurden in der Wirtschaftswunderzeit in einer nie gekannten Vielfalt hergestellt. Die Palette reichte vom kleinen Häuschen im Grünen bis hin zum schicken Bungalow und auch die Inneneinrichtungen mit Nierentisch, Tütenlampe und Fernseher waren im modernen, leichten und farbenfrohen Stil der Zeit gestaltet.

 

 

Geradezu paradox ist in diesem Zusammenhang, dass ein nicht geringer Teil dieser so vorzüglich den bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder-Wohlstand widerspiegelnden Puppenhäuser ausgerechnet in der sozialistischen DDR hergestellt wurde, die derart an willkommene West-Devisen kam.

Heutzutage kaum vorstellbar ist, dass 1953 erst 9 Prozent aller Haushalte über einen elektrischen Kühlschrank verfügten, zehn Jahre später waren es dann immerhin schon 52 Prozent. Da es sich mit anderen Elektrogeräten kaum anders verhielt, vollzog sich im Verlauf der 50er und 60er Jahre auch eine großflächige Elektrifizierung der Haushalte. Parallel dazu gab es ein großes Angebot von spielgerechten Waschmaschinen, Bügeleisen, Kühlgeräten und Küchenmaschinen für die Kinderzimmer zu kaufen.

 

 

Nach dem Motto „Hast du was – bist du was“ geht es in einigen Spielen nur ums Geld, so auch in "Wie gehen die Geschäfte?“: "Wohl alle Menschen möchten zu Geld und Besitz kommen. Je früher, desto besser“, heißt es im Begleitheft, „man lernt bei diesem Spiel für das praktische Leben manches hinzu. Denn auch ohne unbedingt ein Geschäfts-Unternehmer zu sein oder werden zu wollen, lohnt es sich immer, diesen oder jenen Geschäfts-Vorteil kennen zu lernen, mit dem man Geld verdient. Denn es dreht sich vieles im Leben bekanntlich um das liebe Geld: „Und so können die Spieler Eigentümer von Geschäften werden, deren Wert sich im Verlauf des Spielbrettes stetig steigert. Preislich ganz unten angesiedelt sind ein "Milchgeschäft" und ein "Konfitüren-Geschäft", im mittleren Segment sind unter anderem eine "Leihbücherei" und ein „Tabak- und Zigarrengeschäft“ zu finden und am wertvollsten ist - natürlich - ein "Baugeschäft". 

 

   
     

 

 

 

 



 

 

 Schöne bunte Welt - Wohnraumfarben der 50er Jahre

 

 

            
     

 

„Die Entdeckung kräftiger Farben und interessanter Farbkontraste für die Inneneinrichtung ist erst wenige Jahre alt, aber sie hat einen großen Widerhall gefunden. Heute scheint es uns selbstverständlich, dass jeder Sessel ein andersfarbiges Kleid trägt, heute greift mancher selbst zum Pinsel, um ältere Möbel heiter bunt anzustreichen, und man zaubert mit getönten Decken und Wänden die überraschendsten Effekte,“ beschreibt ein 1958 in der Zeitschrift Film und Frau zu lesender Bericht ein im modernen Stil eingerichtetes zeitgenössisches Haus, „in dem selbst das Bad das Farbenspiel mitmacht. Wie viel heiterer, lichter und individueller sind unsere Wohnungen geworden!“ 

In den unmittelbaren Nachkriegs- und frühen 50er Jahren ist eine solches „buntes Treiben“ jedoch noch nicht absehbar. Zwar erholen sich sowohl das Tischlerhandwerk als auch die Möbel herstellende Industrie verhältnismäßig schnell und fertigen nach Überwindung der anfänglichen Rohstoffknappheit schon bald wieder auf einem qualitativ hohen Niveau, doch ist von einem Mut zu neuen Formen und Farben noch wenig zu spüren. Im Gegenteil orientieren sich die Hersteller vornehmlich an den repräsentativ-wuchtigen Schrankungetümen der dreißiger Jahre oder verlegen sich gar auf den Bau von Stilmöbeln. Entsprechend unaufregend und konventionell präsentierte sich in der Regel die seinerzeitige Wohnraumgestaltung der Deutschen. Innenarchitektonische Farbenspiele bleiben vorerst auf einen überschaubaren Kreis von Wagemutigen beschränkt und sind im Rückblick vorzugsweise im Rahmen designorientierter Fachveröffentlichungen zu finden, die Einblick in die Räumlichkeiten von „Bessergestellten“, wie beispielsweise „einem Arzt, einem Fabrikanten oder einer Architektin“ gewähren. Otto Normalverbraucher hingegen, und damit der weitaus größte Teil der Bevölkerung, hat in den Mangeljahren nach Kriegsende und auch zu Beginn der Fünfziger ohnehin erst einmal noch ganz andere Probleme.

 

Der komplette Text ist hier: wirtschaftswundermuseum.de/wohnraumfarben-50er zu lesen.